Rechtsschutzversicherung - Allgemeine Definition des Versicherungsfall
Der Eintritt des Versicherungsfalles knüpft nach § 4 Abs. 1c ARB grundsätzlich an den Zeitpunkt an, in dem der VN oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.
Unter Verstoß versteht man hierbei jede objektive Zuwiderhandlung gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften oder das Unterlassen eines rechtlich gebotenen Tuns. Für dessen Vorliegen kommt es nicht darauf an, ob die Beteiligten positive Kenntnis hatten oder ob daraus Ansprüche abgeleitet oder abgewehrt werden.
Beispiel
Es reicht also nicht aus, wenn jemand von einem gesetzlichen oder vertraglichen Recht Gebrauch macht, ohne dass dessen Ausübung einen Verstoß darstellt oder einen solchen voraussetzt.
Für den Fall des Verstoßes eines Gegners gegenüber einem vorausgegangenen Verstoß des VN gilt Folgendes: Es ist gleichgültig, ob der VN angreifen oder sich verteidigen will. Entscheidend ist allein, ob der Gegner sich auf den Verstoß des VN zur Stützung seiner Rechtsposition beruft. Ist dies der Fall, so gilt der Versicherungsfall im Zeitpunkt des behaupteten Verstoßes des VN als eingetreten, und zwar auch dann, wenn der zunächst zeitlich später liegende Verstoß des VN den Rechtsstreit ausgelöst hat (BGH VersR 1984, 530).
Unerheblich ist, wenn ein zunächst behaupteter Verstoß sich im Nachhinein, insbesondere nach einer gerichtlichen Klärung als unwahr herausstellt.
Eine lediglich vorsorgliche Interessenwahrnehmung des VN, die sich gegen ein zukünftiges, für möglich gehaltenes, rechtswidriges Verhalten wendet, löst den Versicherungsschutz noch nicht aus. An dem Eintritt eines Versicherungsfalles fehlt es z.B.
bei der bloßen Bauvoranfrage eines Nachbarn,
bei der vorsorglichen Nachprüfung einer Entschädigung aus einer Unfallversicherung,
bei der Planung des Abschlusses eines Ehegatten- oder Erbvertrages.
Besondere Konstellationen im Arbeitsrecht
Im Arbeitsrechtsschutz können besondere Konstellationen auftreten:
Erfolgt eine verhaltensbedingte Kündigung, kommt es alleine darauf an, wann der VN nach Behauptung des Gegners die Gründe für die Kündigung gesetzt hat. Entscheidend sind hierbei nur die Tatbestände, die der Arbeitgeber tatsächlich zur Stützung der Kündigung herangezogen hat.
Ein Verstoß gegen Rechtspflichten im Sinne der Versicherungsfalldefinition ist bereits dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber beim Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung einholt oder das Zustimmungsverfahren vor der Hauptfürsorgestelle einleitet.
Ein Versicherungsfall kann bejaht werden, wenn der VN behauptet, sein Arbeitgeber habe eine unberechtigte verhaltensbedingte Kündigung in Aussicht gestellt. Ob dieser behauptete Verstoß des Arbeitgebers tatsächlich zutrifft, ist unerheblich.
Führt der Arbeitnehmer einen Rechtsstreit wegen eines Aufhebungsvertrages, weil er durch eine angedrohte Kündigung seitens des Arbeitgebers dazu veranlasst worden ist, wendet der Arbeitgeber aber vorangegangene Verstöße seitens des Arbeitnehmers ein (z.B. Nebentätigkeit), kommt es auf den Zeitpunkt des behaupteten Verstoßes des Arbeitnehmers an.
Übt aber der Arbeitgeber unzulässigen Druck aus, damit ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird, liegt bei entsprechenden Darlegungen zumindest ein behaupteter Rechtsschutzfall vor.
Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber den Ausspruch der Kündigung als sicher darstellt und in einem angebotenen Gespräch lediglich die Modalitäten für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses darlegt.
Da es in diesem Bereich keine gefestigte Rechtsprechung gibt, kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an.
Bei einem behaupteten Verstoß ist es unerheblich, ob tatsächlich gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften verstoßen wurde. Es reicht vielmehr aus, dass nach dem Vorbringen des VN ein solcher Verstoß vorliegt. Hierzu muss ein Sachvortrag erfolgen, der nicht nur ein reines Werturteil darstellt, sondern einen Tatsachenkern enthält.
Beispiel
Zeitspanne von Verstößen
Häufig ist ein Verstoß Auslöser für einen vertrags- oder gesetzwidrigen Zustand, der über einen bestimmten Zeitraum andauert (z.B. unerlaubte Hundehaltung). Dann ist der erste Verstoß für den Eintritt des Versicherungsfalles maßgeblich.
Beispiel
Entwickelt sich eine Rechtsstreitigkeit aus einer Serie von Rechtsverstößen, gilt ebenfalls der erste Verstoß als Versicherungsfall.
Beispiel
Serienverstöße
Bei einem Serienverstoß im o.g. Sinne gibt es in § 4 Abs. 2 ARB eine spezielle Regelung: Rechtsschutzfälle, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsvertrages liegen, bleiben außer Betracht.
Beispiel
Im Steuerrechtsschutz vor Gerichten besteht keine Deckung, wenn die tatsächlichen oder behaupteten Voraussetzungen für die der Angelegenheit zugrunde liegende Steuer- oder Abgabenfestsetzung vor Versicherungsbeginn eingetreten sind oder eingetreten sein sollen.
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